21.10.2019
Hallo Ihr Lieben,
nun ist schon eine ganze große Weile vergangen seit ich meinen letzten Beitrag geschrieben habe.
Ich hatte euch mitgeteilt, dass es mir gut geht und ich jetzt wirklich MS-frei sein möchte – und somit das Thema auch gern hinter mir lassen möchte. Was soll ich sagen – leichter gesagt als getan. Die Diagnose und der ganze Prozess damit war ein Trauma. Mitgeteilt zu bekommen, dass ich an einer unheilbaren Krankheit leide ist die eine Sache. Aber die ganzen Untersuchungen, der Aufenthalt in der Uniklinik Mainz, das ganze Prozedere von Anamnese und Diagnose hinter sich zu bringen, um dann wieder nachhause zu kommen, die Krankheit aber trotzdem weiterhin mitzunehmen – das ist eine Erfahrung, die sich für Außenstehende vermutlich wirklich nicht nachvollziehen lässt. Was „unheilbar“ tatsächlich bedeutet und wie sich das anfühlt, kann man niemandem erklären. Viele sagen dann: „Ach, das wird schon!“ – Nein, wird es eben nicht, denn es ist unheilbar. „Da muss ich jetzt wohl durch!“ – Nein, das ist kein Tunnel, das ist eine Sackgasse.
Und ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie ich in meiner Wohnung manchmal auf dem Fußboden lag – heulend! Und absolut verzweifelt. Bockig wie ein kleines Kind. Und nicht imstande, meine Zukunftsprognose anzunehmen. Ich habe Gott verflucht, dann wieder angefleht, ihn in Frage gestellt – alles aufeinmal.
Und plötzlich das Wunder: es gibt einen Ausweg! Es ist gar nicht aussichtslos! Es ist zu stoppen! Und in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist sogar eine Pressemitteilung erschienen, die das Wort Heilung benutzt.
Es ist ein Wunder! Ich habe das Wunder vollbracht. So fühlt es sich an. Und ihr habt mir geholfen!! Ihr habt es mir zu Füßen gelegt!
Ich bin jetzt MS-frei. Und das spüre ich auch! Mein Gleichgewicht hat sich verbessert und mein Training ist kein Fass ohne Boden, sondern fruchtet tatsächlich. Das ist so großartig!!
– Trotzdem ist es nicht ganz unkompliziert verlaufen:
vor ein paar Wochen sind meine Blutwerte urplötzlich radikal abgesunken. Ich gehe noch immer wöchentlich zur Blutkontrolle. In der einen Woche war noch alles okay. Und in der darauffolgenden Woche fielen meine Leukozyten auf unter 1000! Normal sind etwa 4000-10.000 Leukozyten und davon hat man etwa 60% Neutrophile Granulozyten (das Immunsystem). Und ich hatte bei meiner ohnehin schon zu wenigen Anzahl Leukozyten gerade mal 1% Neutrophile! Diese Werte hatte ich während der Isolation in Moskau. – Also, was war passiert? Die Ärzte hier waren ratlos… Ich hab mir dann auch noch einen Infekt zugezogen und musste ins Krankenhaus. Dort war man genauso ratlos. Ich habe mich also mit Dr.Fedorenko in Verbindung gesetzt. Der war nicht ratlos und erklärte, dass dies eine Nebenwirkung des Rituximab sei, das ich nach der Chemotherapie bekommen hatte. Dieser Effekt wird in der Literatur als LON beschrieben. Leider sind die deutschen Ärzte sehr stolz und wollten diese Erklärung nicht so recht glauben. Ich bin diese Windmühlenräder ja inzwischen gewohnt… In der Uniklinik hätten sie mir gerne eine Knochenmarkpunktion bzw., „wenn sie schon einmal dabei sind“, eine Knochenmarkbiopsie aufgeschwatzt. Mir war der Sinn dahinter nur nicht ganz so klar, deshalb habe ich abgelehnt. Der zuständige Assistenzarzt erklärte, ich zitiere: „So können wir sehen, ob Ihre Stammzellen vielleicht z.B. in ihrer Form verändert sind.“ – Hm okay…. ich war ja nicht in Fukushima!
Dr. Fedorenko sagte, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Die Werte werden sich von selbst regulieren.
Nachdem ich dann versehentlich überstimuliert wurde (ich erhielt eine zu hohe Dosis Neulasta), wurde ich mit 64.000 Leukozyten und 83% Neutrophilen entlassen. Nochmal zur Erinnerung: Normal sind 4000-10.000, ich hatte 64.000 und starke Knochenschmerzen, weil mein Knochenmark buchstäblich explodierte.
Nur eine Woche später fielen die Werte erneut ab, wieder auf 1000. Dr. Fedorenko riet wieder zu stimulieren (dieses Mal bitte angemessen dosiert). Aber meine Hämatologin teilte mir ganz offen mit, dass ihr das einfach zu teuer sei. Ihr Budget lasse das nicht zu. Zur Not müsse ich halt wieder ins Krankenhaus. Offen und ehrlich. Im Grunde war ich aber froh, denn ich wollte meinen Körper gern selbst managen lassen, auch wenn dies mehr Zeit braucht. Also setzte ich wieder die Maske auf. Und siehe da: es pendelt sich wieder ein.
Wirklich schlimm ist diese Nebenwirkung nicht. Man muss nur entsprechend reagieren und Geduld haben.
Inzwischen trainiere ich auch wieder ein bisschen – obwohl mich meine Auszeit wirklich zurück geworfen hat. Das ist ein bisschen frustrierend, vor allem, wenn man so ungeduldig ist wie ich. Aber es war vorhersehbar, denn alle Patienten vor mir haben mir erzählt: in den ersten 12 Monaten bist du im „Rollercoaster“, es geht hoch und runter.
Das alles ändert aber nichts an meiner Glückseligkeit. Ich bin glücklich! Ich denke nicht mehr: was wird morgen sein? Ich denke: morgen wird es besser! Und ich hoffe es nicht, ich weiss und ich spüre und ich beobachte, dass es wahr ist. Meine Gehstrecke wird immer besser. Während der Infektion ist meine Nervenleitgeschwindigkeit gesunken und ich musste per Rollstuhl ins Krankenhaus – das sind noch die Schäden der MS. Aber sobald der Infekt raus war, konnte ich wieder laufen. Und nachdem sich jetzt wieder alles erneut stabilisiert, kommen auch meine Erfolge wieder zurück.
Dr. Fedorenko hat mir Beispiele genannt: Er hat noch Kontakt zu einer seiner ersten Patientinnen, die er vor 19 Jahren behandelt hat. Sie ist bis heute MS-frei! Sie saß damals im Rollstuhl, heute läuft sie auf High Heels. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte hat eine Patientin, die mittlerweile in Deutschland lebt – er hat den Kontakt zwischen uns hergestellt.
Viele von euch werden vielleicht meinen Post bei Facebook gesehen haben. Ich werde ihn auch hier nochmal einfügen. Ich finde es unbegreiflich, wie Menschen mit ihrer Diagnose im Stich gelassen werden. Am Anfang dieses Beitrags habe ich euch gesagt, dass es nicht einfach ist, das Thema MS ad acta zu legen. Jede Faser meiner Seele erinnert sich an dieses Trauma. Und ich verarbeite es indem ich weiter kämpfe – für andere. Dadurch verarbeite ich meinen Alptraum. Ich möchte Gerechtigkeit und ich möchte, dass die MS Patienten die selbe Möglichkeit bekommen, die ich bekommen habe: raus aus der Sackgasse! Und es macht mich wütend, mit welcher Ignoranz die Ärzte vorgehen. Und wie sie diese rechtfertigen – für sich selbst und für andere. Deshalb hab ich diesen Post verfasst:
HSCT gegen MS – mein Statement an die Neurologen!
Ich bekomme immer wieder Anfragen von MS Patienten, die Fragen an mich richten und etwas mehr über meine Erfahrungen in Moskau wissen möchten.
Gleichzeitig bekomme ich zu hören, dass einige Neurologen (darunter auch meiner!) beinah die Contenance verlieren und sehr pampig auf das Interesse ihrer eigenen Patienten an dieser Behandlung reagieren. So müssen sich manche Patienten die Meinung der Neurologen darlegen lassen, dass „Moskau nur an unser Geld möchte“, es wird von „Abzocke“ gesprochen. Man solle doch lieber nach Hamburg zu Dr. Heesen gehen, der gerade eine Studie mit HSCT laufen hat.
An dieser Stelle ist es mir ein dringendes Bedürfnis folgendes klarzustellen:
Liebe Neurologen,
Erstens: wir lassen uns nicht aus Spaß das Geld aus der Tasche ziehen! Wir kämpfen um unser Leben – notgedrungen eigenmächtig, während Sie weiterhin Medikamente verschreiben, die sowohl ebenfalls hohe Risiken haben als auch deutlich (deutlich!) wirkungsloser sind. Ich muss hier nicht argumentieren, Sie kennen die Studiendaten selbst!
Zweitens: Dr. Heesen musste seine Studie schon einmal wegen Mangels an Geld einstellen! In Moskau rollt der Rubel wenigstens, um handeln zu können!
Außerdem wird in Hamburg von 1000 Bewerbern vielleicht 1 zugelassen. Und schon wieder werden wir im Regen stehen gelassen. Dauerregen.
Drittens: Ich kenne die Einnahme-Überschuss Rechnung in Moskau nicht. Sollten sich die Ärzte dort daran bereichern: bitteschön! Von Herzen gönne ich ihnen jeden Cent! Sie haben meine MS gestoppt! Ja, ich bin MS-frei und das spüre ich mehr als deutlich.
Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass Dr. Fedorenko jeden Tag mindestens einmal nach jedem einzelnen seiner Patienten guckt! Auch sonntags! Er wohnt nämlich nahe der Klinik, die er selbst mit aufgebaut hat. Er kennt jeden seiner Patienten mit Namen! Für jeden seiner Patienten hält er am Tag der Transplantation ein paar persönliche Worte, weil er einfach aufm Schirm hat, wer der Mensch hinter dem Patienten ist. Und weil er ein sehr respektvoller Mensch ist.
Nach der Behandlung erhält jeder Patient seine Handynummer sowie Emailadresse, um Fragen zu stellen, falls in der Nachsorge im Heimatland etwas unklar ist. Ich habe diese Option mehrmals genutzt. Dr. Fedorenko hat mir binnen maximal einer halben Stunde geantwortet!
So verhält sich niemand der abzockt!
Und wo wir schon beim Thema Abzocke sind:
Dieser Vorwurf ist ein schlechter Witz. Durchschnittlich geben unsere Krankenkassen 22.000€ für MS Patienten aus, pro Jahr! Okrevus, Ihr neu gehyptes Supermedikament kostet 33.000€ pro Jahr! Also wer genau macht sich hier eigentlich die Taschen voll?
Und nur ganz nebenbei: Wer die Studien liest und rechnen kann sieht, dass das neue Wundermittel Okrevus nur ganz knapp über der Signifikanzgrenze liegt!
Und noch etwas, an jeden beleidigenden Neurologen persönlich: Dr. Fedorenko hingegen spricht sehr respektvoll über seine Kollegen in Deutschland. Bei einigen meiner Fragen hat er mich darauf hingewiesen, dass die Kollegen in Deutschland ganz sicher eine sehr gute Einschätzung machen.
Ich möchte damit einfach darauf hinweisen, dass die „Russen“ hier nicht ihr eigenes Ding drehen, sondern sehr an einer respektvollen Zusammenarbeit interessiert sind!
Aus diesem Grund bietet Dr. Fedorenko einmal im Jahr eine Konferenz an, um sich gegenseitig über Erfahrungen auszutauschen und die HSCT ernsthaft zum Thema zu machen. Diese ist übrigens kostenlos.
Liebe Patienten,
ich habe eine Pressemitteilung von September 2019 angehängt, die in der DGN erschienen ist.
Hier ist in Bezug auf HSCT von Paradigmenwechsel die Rede und das Wort „Heilung“ wird erstmals ernsthaft benutzt.
Gerne können sich auch die Neurologen dies mal durchlesen – es ist ja schließlich Ihre eigene Fachpresse.
Sorry – aber ich bin diesen Widerstand inzwischen einfach mehr als Leid!
Nur weil die Mühlen der Zulassungsbürokratie so vehement langsam mahlen, vegetieren Patienten dahin – und die HSCT wird schlichtweg als Option verschwiegen. Anstatt dass Sie als Ärzte gemäß Ihres Eides auf den Zug aufspringen und am selben Strang ziehen, arbeiten Sie tatsächlich aktiv gegen das Wohl Ihrer Patienten.
Es werden Medikamente verschrieben mit zahlreichen Nebenwirkungen, sodass so manches Medikament wieder vom Markt genommen werden musste, weil die Nebenwirkungen dramatischer waren als angenommen. Kein Wunder, von den meisten MS-Medikamenten ist der Wirkmechanismus ja noch nicht einmal bekannt – Ich nenne das russisch Roulette!
Der Wirkmechanismus der HSCT hingegen ist bekannt und Ihre Kollegen aus der Hämatologie beurteilen diese Behandlung in Bezug auf MS als logisch. Schlichtweg deshalb weil MS eine Erkrankung des Immunsystems ist, sollten es die Hämatologen doch irgendwie sowieso besser beurteilen können oder?