Meine Gedanken nach der HSCT

Freitag, 22.11.2019

 

Hallo ihr Lieben,

heute vor einem Jahr saß ich im Artemoda @ La deutsche Vita und habe an meiner Webseite gearbeitet, um die Spendengelder zu sammeln. Am 18.11.2018 begann mein erster Spendentag. Heute sitze ich im Artemoda @ La deutsche Vita  und schreibe ein Buch über alles was war 😉

Ich habe eine Wendeltreppe in meiner Wohnung, die ich vor der Behandlung überwiegend auf allen Vieren herauf gehen musste. Herunter kam ich mit viel Konzentration und einem festen Griff am Geländer. Mir fehlte es an Koordination und Gleichgewicht. Heute gehe ich die Treppe trittsicher in aufrechter Position herauf und herunter. Oft halte ich dabei einen Wäschekorb im Arm und grinse über beide Ohren – ich liebe diese Treppe! Gestern bin ich die Treppe mit einem vollen Wäschekorb unterm rechten Arm und dem Staubsauger unterm linken Arm herunter gegangen. Ich hatte keine Lust das Kabel des Staubsaugers aufzurollen, es hing lässig neben meinem Körper. Und so stieg ich seitwärts und Schritt für Schritt die wendelige Wendeltreppe hinab. Ich freue mich so, was für ein Spaß!!

Meine Wendeltreppe

Und es ist nicht in Worte zu fassen wie tragisch und skandalös es ist, dass die Ärzte mir einreden wollten, MS sei unheilbar. Der Kampf geht weiter! Da draußen sind hunderttausende Menschen, denen die gleiche Lüge erzählt wird. Nach meinem Auftritt bei RTL habe ich viele Anfragen von Betroffenen bekommen und viele Geschichten gehört. Fast alle Neurologen sprechen sich gegen die HSCT aus oder äußern sich ahnungslos. Nur sehr wenige geben an, dass HSCT die einzige mögliche Chance auf Heilung ist. Ja, HSCT ist ein kurativer Ansatz und die einzige Möglichkeit, MS zu stoppen – je früher desto besser. Je früher, desto mehr Chance auf Regeneration.

Ich habe ein Bildnis gefunden, um nicht Betroffenen zu beschreiben, wie sich ein Mensch mit MS-Diagnose fühlt. Ich denke, es ist sehr passend und beschreibt ziemlich genau was in einem betroffenen Menschen vor sich geht:
Wir sind in eine Falle geraten. Die MS-Diagnose zu bekommen ist, als wäre man ein wildes Tier, das nun buchstäblich in der Falle hockt. Anfangs ist es nicht zu glauben, man weiss gar nicht wo man hier gerade ist. Nach und nach steigert sich die Panik, weil man merkt, dass man nicht heraus kommt. Immer wieder hört man: unheilbar! unheilbar! Wie eine wilde Katze bin ich gegen die Wände gesprungen und hab gekratzt und getobt. So viele Male lag ich vor Wut heulend auf meinem Fußboden. Ich habe wirklich einen sehr starken Willen und ich weiss meistens sehr genau was ich will und was ich nicht will. Und ich wollte aus dieser Falle heraus! Es hat mich sehr viel Kraft gekostet zu kapieren, dass ich in dieser Falle leben muss. „Draußen“ gibt es für mich nicht mehr, mein Leben wird nun diese Falle sein. Bis das Gehirn das erstmal ansatzweise kapiert hat braucht es lange. So. Und dann versucht man irgendwie psychisch in dieser Situation zu überleben – wie? Man versucht sich das Leben in der Falle irgendwie schön zu reden. So habe auch ich versucht es anzunehmen und einen Umgang damit zu finden. Immerhin ist man nicht tot, man lebt ja trotzdem noch – nur halt eben in einer Falle, aber das ist ja immernoch leben. Und niemand hat es ja leicht und so weiter.
Und urplötzlich begegnet einem das Thema Stammzelltransplantation und 90% Chance auf Stillstand, das Wort „Heilung“ fällt, wenn auch vorsichtig. Das ist die Tür, die sich plötzlich auftut! Nachdem man sein Gehirn endlich so weit hatte, diese Falle zu akzeptieren, tut sich plötzlich dieser Tür auf!
Die meisten Leute werden glauben, dass man jetzt außer sich vor Glück durch diese Tür springen möchte. Aber nein, so funktioniert unsere Psyche nicht. Ein Tier, welches lange eingesperrt war, springt auch nicht sofort in die Freiheit. Ein Vogel im Käfig beispielsweise, der schon lange im Käfig saß – wenn man diesem Vogel die Tür öffnet, wird er nicht sofort heraus fliegen. Er wird erstmal nur dasitzen und versuchen die neue Realität für sich zu begreifen.
Ich hasse es übrigens Tiere einzusperren – das weicht jetzt ein bisschen vom Thema ab, aber ich möchte es trotzdem mal sagen. Die meisten Menschen rechtfertigen sich, indem sie sagen: Ja, aber in Freiheit würde der ja gar nicht überleben! Oder: Guck, der will gar nicht raus!

Doch, wir wollen alle frei sein. Niemand sitzt gerne in der Falle. Und wenn die Tür plötzlich aufgeht, brauchen wir einen Moment. Aber die meisten von uns werden durchgehen!
Es ist kein naives hindurchgehen, wie die Ärzte beschützend über uns denken. Wir haben auch sehr wohl Angst. Angst, dass die Hoffnung sich nicht erfüllt. Angst vor unserem eigenen Mut und dass wir scheitern.
Und ich sage euch aus eigener Erfahrung: wenn man durch die Tür hindurch gegangen ist und in Freiheit steht, dann hat man das Leben in der Falle nicht vergessen. Man steht nicht jungfräulich in Freiheit. Und der Schatten ist immernoch da. Man ist traumatisiert. Und das ist ja auch verständlich, denn in der Falle ist man auch kaputt gegangen. Viele Symptome bleiben und erinnern an das Trauma.

Jetzt gerade aktuell geht ein Bericht durchs Internet, vielleicht hat der ein oder andere von euch ihn schon gesehen. Da ist ein Mann, der von seiner MS so gezeichnet ist, dass er nur noch seinen Kopf bewegen kann. Selbst zum Naseputzen benötigt er eine Assistenz. Er kämpft gerade um das Medikament zur Sterbehilfe. Um seinem Leben in der Schweiz ein Ende zu setzen, dafür fehlt ihm das Geld. Die Menschen diskutieren hier darüber, ob es richtig oder falsch ist, ihm dieses Medikament zu geben. In diesem Zusammenhang fällt oft das Wort Ethik. Ich denke, diese ganze Diskussion ist unethisch. Und ich denke, es ist unverantwortlich, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Diese Behandlung der HSCT für MS gibt es seit Dekaden! Aber wir werden in dem Glauben der Unheilbarkeit gelassen. Aus gesetzlichen Gründen, aus ehtischen Gründen, aus zich Gründen.

Medikamente verschleiern die Progression. Nach außen verlangsamen sie die Schübe und liefern damit super Ergebnisse in den Studien. Aber am Ende haben sie keinen Einfluss auf die Progression des Gesamtverlaufs! Die HSCT aber hat einen sehr deutlichen Einfluss auf den Gesamtverlauf! Und das ist der Unterschied. Und deshalb ist es ein Skandal, dass Medikamente verschrieben werden ohne die Möglichkeit der HSCT auch nur zu erwähnen!

Ich werde mein Buch schreiben und ich werde weiterhin Kongresse besuchen und mit Menschen sprechen.
Es haben mir soooooo viele Menschen geholfen meinen Weg aus der Falle zu gehen. Jedes Mal, wenn ich meine Wendeltreppe hoch und runter gehe, denke ich an euch!
Ich werde diesen Flow, diese Welle, diese Energie nutzen bis diese Falle für jeden keine Falle mehr sein muss, sondern einfach nur ein kleiner Umweg im Leben. Das Leben ist so so so kostbar und wertvoll!

Ich habe eine Gruppe erstellt, bei Facebook. Hier sind noch andere Patienten, die ebenfalls HSCT gemacht haben sowie Interessierte. Es gibt hin und wieder Treffen, um uns HSCT-Warrior persönlich zu treffen. Ich weiss, wie überfordernd es ist vom Weg der HSCT zu erfahren. Ob dieser Weg der richtige ist oder nicht, kann nur jeder selbst entscheiden. Aber oft weiss man eben nicht, wie man entscheiden soll. Deshalb bieten wir diese Treffen an. Wir raten weder zu noch ab! Aber um für sich selbst entscheiden zu können, ob dies ein Weg sein kann oder nicht, tun persönliche Begegnungen vielleicht ganz gut. Nur, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen. Wie wertvoll das ist, habe ich selbst erfahren.
Falls also der ein oder andere Betroffene Interesse hat für sich selbst herauszufinden, ob das sein Weg ist, hier der Link:

MS-Warrior Orientierungstreff

Inzwischen sind schon einige aus der Gruppe aufgebrochen und sind diesen Weg auch gegangen. Andere sind noch dabei Geld zu organisieren. Andere überlegen noch. Und viele halten sich im Hintergrund und lesen einfach mit.
Wir quatschen niemanden voll. Das einzige ist: nach der Anfrage schreibe ich euch im Messanger an und frage nach dem Hintergrund für die Anfrage. So filtern wir die Leute heraus, die einfach nur glotzen wollen, ohne betroffen zu sein (ja, die gibt es auch). Wir versuchen einen möglichst geschützten Rahmen zu geben, weil das Thema einfach auch persönlich ist.

So, das war’s erstmal von mir. Viele liebe Grüße!
Ab Januar möchte ich wieder arbeiten gehen und darauf freue ich mich sehr!
Ich werde demnächst wieder mal etwas schreiben. Bis bald!