Montag, 22. April 2019
Hallo ihr Lieben,
heute ist der 22. April 2019. Dies war das ursprüngliche Datum gewesen, an dem ich nach Moskau fliegen sollte. Erinnert ihr euch? Ich hatte aufgrund meines sich zunehmend verschlechternden Zustandes um einen früheren Termin gebeten – und konnte dann schon am 18.02.2019 aufgenommen werden. Mein eigentlicher Termin der Aufnahme in Moskau wäre heute gewesen… 🙂
Heute habe ich die Behandlung nun schon hinter mir. Vor genau 34 Tagen bin ich wieder in Deutschland gelandet und Zuhause.
Es passiert alles so wahnsinnig schnell… Irgendwie habe ich momentan das Gefühl, ich kann die Dinge, die passieren, gar nicht richtig greifen, gar nicht richtig erleben. Es sind so Momente, die passieren während sie bereits an mir vorbei ziehen – ohne wenigstens für einen Moment mal zu bleiben. Ohne sich ihrer mal bewusst werden zu können und sie für eine Weile zu beschauen. Seit November 2018 ist das so, seit Beginn meiner „Reise“ – Ich fühle mich manchmal wie im Daumenkino! … bssssssssss, fertig!
Wie geht es mir? Morgen habe ich wieder einen Termin bei meiner Hämathologin, die mir meine Blutwerte bestimmt. Ich bin gespannt, ob bzw. wie sich die Blutwerte inzwischen eingependelt haben. Ansonsten habe ich die letzten Tage sehr die Sonne genossen und bin sogar Fahrrad gefahren. Das Leben tut einfach gut! Auch der Miko hat sich gefreut, dass ich mal wieder einen Ausflug mit ihm unternehme – da konnte ich ja seit Monaten nicht dabei sein. Also richtig doll schön.
Da hinten sieht man den Miko hinter mir herlaufen 🙂 Aber keine Sorge, der Miko ist fitter als das Video vermuten lässt. Die meiste Zeit über lief er neben mir 🙂 Schön gemeinsam, was ein toller Hund!
Es gab auch bereits Momente, in denen ich wieder richtig gut laufen konnte, sogar bergauf. Ich trainiere weiterhin fleißig regelmäßig Sit-Ups und Kniebeugen, um meine Muskeln zurück zu gewinnen.
Kommende Woche habe ich einen Termin mit einer Trainerin, die mit mir einen Trainigsplan erstellt. Aber, wie gesagt, es gab bereits richtig fitte Momente, in denen ich gut und ausdauernd gehen konnte, so als wäre die MS nie dagewesen – also ehrlich gesagt, diesen Moment hatte ich bisher ein einziges Mal. Aber hey, ich hatte ihn und es war unglaublich. Ich pumpe mich mit sämtlichen Vitaminen voll, die mir zur Regeneration verhelfen. Sollte es eine Chance geben, dass sich vorhandene Schäden verbessern können, möchte ich meinem Organismus die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
Seelisch geht es mir nun auch besser. Das Kortison scheint abgebaut und ich fühle mich wieder fast wie die „Alte“ 😉
Außerdem habe ich mir eine Perücke gekauft, wie ihr vielleicht gerade schon auf dem Video mit dem Fahrrad gesehen habt. Das tut gut! Wie ich letztlich schon berichtet habe, ist es schwierig zu beschreiben, wie es sich ohne Haare anfühlt – als Frau. Zu Beginn hat mir die Glatze sogar Stärke gegeben, so als ein Ausdruck einer MS-Kriegerin. Bereits nach wenigen Tagen jedoch habe ich meine eigene Weiblichkeit vermisst – die ich auch in meinen Haaren finde, was mir bis dato gar nicht bewusst war. Denn ich hatte ja nun keine lange Cinderella-Pracht gehabt – und dennoch.
Haare scheinen zudem auch eine Art Schutz zu sein, auf mentaler Ebene. Mit Haaren fühle ich mich besser „bei mir“, die Glatze legt mich offen und bietet keinen Rückzug zu mir selbst. Es ist schwierig zu beschreiben. Jedenfalls: Ich habe jetzt wieder Haare!
Die Auswahl fiel nicht leicht, ich habe mehrere Perückenläden besucht. Ich dachte, es sei simpel: ich suche mir schöne Haare aus, setze sie auf – fertig. Aber nix da. Jede Perücke sieht anders aus als dann tatsächlich auf dem eigenen Kopf – die Haare wirken und fallen wirklich völligst anders als auf den Puppenköpfen. Ich hatte bestimmt über 50 Perücken auf, davon sahen 48 aus als sei Fasching. Oder als parke ich draußen meinen Manta.
Letztendlich habe ich etwas tiefer in die Tasche gegriffen und mir eine Echthaar-Perücke gekauft. Meine echten Haare beginnen noch nicht zu wachsen und das wird vermutlich sogar noch einige Monate dauern. Ich solle frühestens in 3-5 Monaten damit rechnen. Und ganz ehrlich… ich bin die Mützen leid. Sie stehen mir nicht und gerade bei warmem Wetter mag ich sie nicht. Alternativ kann ich mir ein Tuch binden – das steht mir zwar, aber nach x Tuchtagen fühle ich mich langsam wie Oma Ilse. Und die Glatze ist unangenehm, es zieht.
Also… einmal in gute Laune und Selbstwertgefühl investiert und Ta-Daaaaaaa:
Sieht beinahe aus wie meinen „alten“ Haare, finde ich. Und diese „Normalität“ fühlt sich einfach super gut an und gibt jede Menge Energie zurück.
Die Glatze hat natürlich auch ihre Vorteile, muss man sagen. Meine Stammzellschwester Stina aus Norwegen sagte kürzlich, sie genieße es, nur noch ratzfatz ein Duschgel benutzen zu können. Und wenn sie in der Öffentlichkeit mit der Gatze auftritt, behandeln sie die Leute besonders freundlich. Und ja, das ist mir auch aufgefallen. Zuvor habe ich so Horror-Geschichten gehört, man würde auch angepöbelt, warum man sich so „radikal“ zeige. So etwas habe ich persönlich nie erlebt. Im Gegenteil, ich mache die gleiche Erfahrung wie Stina. Die mir fremden Menschen z.B. an der Kasse oder im Lokal begegnen mir bewusster, so mein Eindruck – sie sind freundlich und irgendwie offener. Und das zeigt mir: Menschen sind gut!
Die selbe Erfahrung habe ich bereits während meiner Spendenaktion gemacht. Ich wusste nicht was mich erwartet, wenn ich so offen um Unterstützung bitte. Und natürlich hatte ich auch mit negativen Reaktionen gerechnet, z.B. was mir einfallen würde, dass ich unverschämt sei oder oder. Aber wirklich wahr, es gab ausschließlich positive Reaktionen. Also nochmal: Menschen sind gut!
Ehrlicher Weise muss ich sagen, eine negative Reaktion gab es – und zwar auf dem Hochheimer Weihnachtsmarkt als ich meinen Infostand hatte. Eine skeptische Dame echauffierte sich über die Stammzelltransplantation bei MS, dies habe sie noch nie gehört und glaube nicht daran, irgendwie sowas. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber gerade auf der Toilette und meine Freundin Iris, die mich an dem Stand begleitete, widmete sich der Dame. Ich habe also von der einzigen negativen Reaktion gar nichts mitbekommen.
Aber, zurück zum Thema: Haare sind wichtig! Und ich bin sehr, sehr glücklich über meine neue Echthaar-Perücke:
Und ein bisschen Spaß macht die Perücke übrigens auch 🙂
Viele von euch werden das Video bereits von Facebook oder Instagram kennen. Das ist bei einem Osterausflug zur Domäne Mechthildshausen entstanden.
Manchmal ist es auch einfach verführerisch, die Menschen um sich herum zu irritieren.
Und dabei über sich selbst zu lachen
Also ihr Lieben, die nächsten Tage werde ich wieder etwas von mir lesen lassen. Vielleicht kann ich dann schon den Sendetermin von RTL bekannt geben.
Alles Liebe und genießt den Frühling! Das Leben ist wunderschön! Haltet die Sinne und das HERZ auf, so lasst ihr Glück herein. Manchmal vergisst man das vor lauter Alltag. Gebt dem Daumenkino keine Chance. Vielleicht leben wir wirlich nur einmal und das sollten wir mit Liebe und Freude tun. (Auch, wenn wir mehrmals leben, sollten wir das tun!). Liebe und Freude finden wir im JETZT, morgen bringt immer wieder noch einen weiteren morgen und dann verliert man sich.
Ich möchte mich noch einmal bei euch allen bedanken. Ihr habt es möglich gemacht, dass ich mich so leicht und glücklich fühle. Das Leben ist wieder unberechenbar geworden.
Dafür vielen Dank! Auch vielen Dank an all jene, die meinen Blog verfolgen und meine Situation begleiten. Das schafft ein WIR-Gefühl, das mich in so manchen schwierigen Augenblicken stark gehalten hat und hält.
Liebe Katja!
Ich erinnere mich noch gut an unser Gespräch, im Flieger, über die Glatze und sie mit stolz zu tragen! Alles hat seine Zeit! Vielleicht kommt auch die Zeit wieder, wo Du sie wieder mit stolz offen zeigst und es dich bestärkt!
Aber ich kann dich sehr gut verstehen!
Ich finde dein Video in dem Café so köstlich!
Mit Humor geht alles leichter!
Deine neuen Haare sehen toll aus!
Ich bin sehr beeindruckt von deiner Stärke!
Mach weiter so!
Liebe Grüße aus Denver
Manu
Liebe Manu,
danke dir für deine lieben Worte.
Ja, alles hat seine Zeit. Ich freue mich, dass ich die Perücke habe und aufsetzen kann, wann immer mir danach ist. Sie sieht meinen ‚alten‘ Haaren sehr, sehr ähnlich und es tut einfach gut wieder „ich“ zu sein, so vollständig.
Und trotzdem mag ich die Perücke auch nicht jeden Tag tragen (sie ist auch unbequem). Dann trage ich Mütze (sonst ist mir zu kalt), aber auch temporär mal offen meine Glatze – sie spiegelt buchstäblich die gegenwärtige Zeit wieder, in der ich gerade bin… und fühlt sich wie eine Verbündete an (😉 ich personifiziere sie, weil ich weiß, dass sie nicht bleibt und ich sie nicht annehmen muss. Sie ist nur Ausdruck des Momentes).
Stolz habe ich anfangs empfunden, irgendwie bin ich jetzt „satt“ und möchte keine Kriegerin mehr sein – sobald die Haare wieder sprießen freue ich mich über neues ‚Leben’😁.
Ganz doll viele liebe Grüße nach Denver (oder wo auch immer hin, dir hinterher!)
Katja